Polen mit seinem großen Binnenmarkt kommt wohl am besten durch die Krise. Nach der Rezession 2020 dürfte das Wachstum 2021 um 3,5 % zulegen. Tschechien, das mit einem Exportanteil von 80 % des BIP stark vom Automobilsektor geprägt ist, haben die Unterbrechung der Lieferketten und die Schließung von Fertigungsstätten deutlich mehr zu schaffen gemacht. Zwar ist die Konjunktur bei wichtigen Handelspartnern wie Deutschland von kräftigen Nachholeffekten geprägt. Jedoch ist die Bremswirkung durch die zweite Corona-Welle in Tschechien besonders heftig und strahlt auf 2021 aus. Das Wirtschaftswachstum dürfte hier bei gut 3 % liegen.
In Ungarn ist die Abhängigkeit von der Industrie ähnlich. Zusätzlich belasten Einbußen im wichtigen Tourismussektor, die 2021 noch spürbar sein dürften. Denn es ist anzunehmen, dass der internationale Reiseverkehr auch mittelfristig einem schwächeren Trend folgt. Daher sind für 2021 nur 3,7 % Wachstum zu erwarten.
Die Pandemie hat besonders in Polen und Ungarn die Betonung der nationalen Eigenständigkeit verstärkt. Hier praktizieren die rechtskonservativen Regierungen seit Jahren eine spendable, aber auch bevormundende Politik mit Wohltaten für alle, die in das bevorzugte Weltbild passen.
Gleichzeitig wird die Einmischung der EU in Fragen der Rechtsstaatlichkeit als Übergriff empfunden. Die Kopplung von Zuschüssen aus dem EU-Wiederaufbauprogramm an Rechtsstaatlichkeitskriterien dürfte eine knifflige Aufgabe bleiben.
Die Pandemie hat den Trend zur nationalen Eigenständigkeit verstärkt.
Autonomie prägt auch die Geldpolitik der drei Länder: So wurden die Leitzinsen auf bzw. in die Nähe von Allzeittiefs gesenkt und Reservevorschriften abgeschwächt. In Polen und Ungarn lockerten die Notenbanken zudem die Geldpolitik über umfangreiche Anleihekäufe.
Diese Eigenständigkeit aufzugeben dürfte den Ländern schwerfallen, sodass ein Beitritt zur Währungsunion in nächster Zeit noch unwahrscheinlicher geworden ist als bislang schon. Alle drei Währungen haben gegenüber dem Euro abgewertet. Die Wechselkurse notieren deutlich oberhalb früherer Durchschnittswerte und setzen damit auch Inflationsimpulse. Mit einer nachhaltigen Aufwertung ist vor dem Ende der Pandemie-Sondersituation nicht zu rechnen.
Umfangreiche staatliche Zuschüsse an Unternehmen, Kreditgarantien, Steuererleichterungen und andere Hilfsprogramme hinterlassen über 2020 hinaus Spuren in den öffentlichen Defiziten und Verschuldungsquoten. Parlamentswahlen in Tschechien im Oktober 2021 und in Ungarn im April 2022 rücken den Schuldenabbau weiter in den Hintergrund.
Zwar bleiben alle drei Länder beim öffentlichen Schuldenstand deutlich unter den Werten anderer EU-Mitglieder. Tschechien hält mit rund 45 % sogar einen komfortablen Abstand zur Maastricht-Grenze von 60 % des BIP. Vorsicht ist aber geboten. Denn was in der aktuellen Niedrigzinsphase problemlos ist, kann bei einem Zinsanstieg zum Schreckgespenst werden: Ein hoher Schuldendienst würde dann die fiskalischen Handlungsspielräume empfindlich einschränken. Die helfende Hand der EU in Form von Zuschüssen und Krediten aus dem Wiederaufbauprogramm, aus dem die Länder bis Ende 2022 Zuwendungen von rund 2 bis 4 % ihres BIP erhalten sollen, entlastet die eigenen Finanzen und ist daher bei aller Eigenständigkeit sehr willkommen.
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