Dr. Gertrud R. Traud ist seit 2005 Chefvolkswirtin der Helaba – und damit deutschlandweit eine der wenigen Frauen in dieser Position. Gemeinsam mit ihrem Team veröffentlicht sie neben zahlreichen Publikationen jeden Herbst den „Jahresausblick für Konjunktur und Kapitalmärkte“.
Dr. Gertrud R. Traud: Aspekte der Nachhaltigkeit sind für die Analyse- und Prognoseprozesse der Helaba bereits seit geraumer Zeit relevant:
Wir haben Analystinnen und Analysten, die sich explizit mit Fragen zu Sustainable Finance für Unternehmen beschäftigen, und andere, die Nachhaltigkeitsaspekte in ihren makroökonomischen Analyseprozess einbeziehen. Seit mehreren Jahren erstellen wir Studien zum regulatorischen Rahmen für Banken und Unternehmen.
Die Quantifizierung des Klimawandels und Anstrengungen zu seiner Eingrenzung werden vermehrt nachgefragt. Dem werden wir gerne gerecht, aber wir verweisen mit Nachdruck darauf, dass bei kaum einem Thema eine solche wissenschaftliche Bescheidenheit, ja Demut, geboten ist wie beim Klimawandel. Politik, Forschung und auch Banken versuchen sich derzeit den drängenden Fragen zu nähern, die eine steigende Temperatur der Erdatmosphäre aufwirft. Dabei kann die Illusion von Gewissheit genauso gefährlich sein wie die Position, erst einmal gar nichts zu tun, bis man klarer sieht.
Dr. Gertrud R. Traud
In unseren Studien betrachten wir derzeit die aus unserer Sicht wichtigsten Effekte des Klimawandels und der wahrscheinlichen Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Dabei stehen zahlreichen negativen Faktoren diverse positive gegenüber. Auch ist zu beachten, dass nicht alles, was das ökonomische Wachstum belastet, verkehrt sein muss. Das Ziel ist vielmehr, eine vorgegebene Reduktion der Treibhausgase mit möglichst geringen Wachstums- beziehungsweise Wohlstandseinbußen zu erreichen.
Eine effiziente und erfolgreiche Klimapolitik zeichnet sich dadurch aus, dass sie marktwirtschaftliche Anreize nutzt, um die Menschen zum freiwilligen Mitmachen zu bewegen. Selbst im Idealfall sind aber wohl – rein ökonomisch gemessen – Wohlstandsverluste unvermeidbar.
Dies wird zu Verteilungskonflikten führen und früher oder später die Zustimmung in der Bevölkerung zu ambitionierten Klimamaßnahmen unterminieren. Bislang hat es die Politik vielerorts vermieden, die Leute auf solche Belastungen vorzubereiten. Oft werden unsichere, kleine positive Effekte („Wir werden weltweit führend in grüner Technologie!“) aufgebauscht und zu erwartende Kosten ausgeblendet. Dies kann sich mittelfristig rächen.
Eine objektive Analyse und Kommunikation wahrscheinlicher positiver und negativer Wirkungen geplanter Maßnahmen ist daher dringend erforderlich.
Dr. Gertrud R. Traud
Unsere Research und Advisory-Expertinnen und Experten analysieren und prognostizieren präzise und transparent. Hier finden Sie aktuelle Research Informationen zur Nachhaltigkeit.
Dr. Gertrud R. Traud: Kurzfristig ist der Effekt auf die nachhaltige Entwicklung negativ, da die mangelnde Gasverfügbarkeit zu einem stärkeren Einsatz von Kohle bei der Stromerzeugung führt. Mittelfristig können hieraus allerdings durchaus positive Effekte werden: Hohe Preise für fossile Brennstoffe lassen grüne Energien relativ günstiger werden.
Der Ausbau von Wind und Solar dürfte Fahrt aufnehmen. Europäische Nachbarländer forcieren zudem die kohlenstoffarme Nukleartechnik. Auch wird die Einsparung von Energie an Bedeutung gewinnen. Hiervon kann Deutschland dank seiner günstigen Position bei Umwelttechnologien profitieren – dies gilt nicht nur für die Elektrotechnik und den Maschinenbau, sondern auch für die deutsche Automobilindustrie, die im Bereich der Elektromobilität große Fortschritte macht.