Die russische Wirtschaft dürfte 2021 um 3,7 % gewachsen sein. Bereits im Sommer lag das Bruttoinlandsprodukt leicht über dem Vorkrisenniveau. Damit ist der Erholungsprozess nach der Pandemie weitgehend abgeschlossen. Für 2022 rechnen wir mit einer Abschwächung auf 2,7 %.
Der starke Impuls vom hohen Ölpreis wird allmählich nachlassen. Dazu kommt, dass der Ölsektor sein Potenzial nicht voll entfalten kann, da die Förderbeschränkungen der OPEC bis mindestens April 2022 in Kraft bleiben.
Die westlichen Sanktionen werden erneut verlängert. Größere Privatisierungen mit nennenswertem Interesse ausländischer Investoren sind daher nicht zu erwarten, was die Diversifizierung der Wirtschaft weg vom Öl und Gas behindert.
Die Pandemie ist hingegen kein erwähnenswertes Risiko mehr. Zwar wurde das Ziel einer Impfabdeckung von 60 % der Bevölkerung bisher klar verfehlt, aber Russland hatte schon im ersten Pandemiejahr im internationalen Vergleich wenig strikte Beschränkungen eingeführt und wird auch 2022 davon absehen.
Die Inflation wird sich 2022 auf 5,8 % abschwächen, da sowohl das Wachstum des privaten Konsums als auch die Engpässe auf der Angebotsseite nachlassen. Allerdings wird die Preissteigerung erneut über dem Zielwert der Zentralbank von 4 % liegen.
Angesichts hoher Inflationserwartungen wird die Zentralbank ihren restriktiven Kurs beibehalten. Zwischen Januar und Oktober 2021 wurde der Leitzins um 3,25 Pro-zentpunkte auf 7,5 % angehoben und für Dezember 2021 oder Anfang 2022 rechnen wir mit einer weiteren Zinserhöhung. Mit nachlassendem Preisauftrieb dürfte ab Ende 2022 die Geldpolitik allmählich lockerer werden.
Das Thema Nachhaltigkeit spielt in Russland keine große Rolle, mit Ausnahme der Staatsfinanzen. Aus Sicht der Regierung ist jetzt ein guter Zeitpunkt für fiskalische Konsolidierung. Die nächsten Präsidentschaftswahlen stehen erst im März 2024 an.
Bei den Parlamentswahlen im September kam die Regierungspartei „Geeintes Russland“ zwar nur auf etwa 50 % der Stimmen, bei einem Verlust von sechs Prozentpunkten. Aufgrund der zahlreichen Direktmandate verfügt sie in der Duma aber über eine komfortable Zweidrittel-Mehrheit, was ihr die Möglichkeit gibt, weiterhin Verfassungsänderungen durchzuführen.
Ab 2022 wird auf einen Konsolidierungskurs eingeschwenkt, auch um angesichts der Sanktionen Reserven aufzubauen. Das Ziel eines Haushaltsüberschusses von 1 % des BIP dürfte fast erreicht werden. Der Anstieg der Staatsausgaben wird deutlich gebremst.
Präsident Putins Prestigevorhaben, die 13 „Nationalen Projekte“ mit einem Volumen von 360 Mrd. US-Dollar, sollen erst 2024 beginnen. Die Verzögerung belastet die privaten Unternehmen stärker als die ohnehin finanziell solide aufgestellten Staatsunternehmen. Insgesamt wird dadurch das Wachstumspotenzial eingeschränkt.
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Die Wachstumsperspektiven sind sehr unterschiedlich. Welche Rolle spielt dabei die Konsolidierung der Staatsfinanzen? Gibt es Risiken, auf die geachtet werden sollten?