Leider steht auch im Jahr 2022 das Covid-19-Virus noch auf der Liste potenzieller Faktoren, die zu einem deutlich schlechteren konjunkturellen Verlauf als in unserem Hauptszenario führen könnten. Das Thema ist – nicht nur in vielen Entwicklungsländern mit niedrigen Impfquoten – alles andere als erledigt. Weitere aggressive Virus-Typen könnten neue Restriktionen erforderlich machen. Selbst wenn diese nicht mehr die Schärfe bisheriger Lockdowns erreichen, ist die Gefahr einer Unterbrechung der wirtschaftlichen Erholung für ein oder zwei Quartale evident.
Die Klimawende stellt eine große Chance, aber auch ein erhebliches Risiko dar. Drastische Umwälzungen auf fast allen Feldern wirtschaftlichen Handelns werden diskutiert. Da fällt es leicht, sich Politikfehler auszumalen, die zwar vielleicht die Primärziele erreichen, aber mit vermeidbaren Kollateralschäden verbunden sind.
Regulatorische Unsicherheit könnte die Unternehmen über den fossilen Energiesektor hinaus zu einem „Investitionsstreik“ veranlassen. Zu hohe finanzielle Belastungen der privaten Haushalte würden wohl die Unterstützung für das gesamte Konzept der Treibhausgasreduktion unterminieren und Verteilungskämpfe intensivieren.
Auch die internationalen Wirtschaftsbeziehungen können in einer Zeit, in der manche Länder ihren Unternehmen erhebliche finanzielle oder regulatorische Bürden auflasten, schnell zu einem klimapolitischen Minenfeld werden – Stichwort „Grenzausgleichssteuer“.
„Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.“
Sprichwort
Mögliche geopolitische Konflikte, die die Stimmung belasten könnten, gibt es zuhauf und China spielt bei vielen von ihnen eine zentrale Rolle: Spannungen um Taiwan, Hongkong oder das Südchinesische Meer. Gleichzeitig besteht jederzeit das Risiko, dass sich die derzeit laufende Neupositionierung der Industriestaaten im Verhältnis zu China zu einem eskalierenden Konflikt auswächst, mit erheblichen Folgen vor allem für die internationalen Handelsbeziehungen und die globalen Lieferketten.
Die politischen Risiken beschränken sich nicht auf ferne Länder und Regionen. Hier in Europa stehen mit den Wahlen in Frankreich und Italien Ereignisse an, die potenziell für Verunsicherung sorgen können. Dies gilt auch für die Debatte um das Verhältnis der EU zu Polen und die schwelende Nordirland-Problematik, die doch noch einen größeren Handelsstreit mit Großbritannien heraufbeschwören könnte. Neuerliche Auseinandersetzungen über die künftige fiskalpolitische Ordnung in der EU sind ebenfalls ein durchaus plausibles Szenario.
Unerwartete Schocks könnten darüber hinaus von den Finanzmärkten ausgehen, wo die liquiditätsgetrieben oft sehr hohe Bewertung vielfach eine Anfälligkeit für Kursverluste mit sich bringt.
Auch die Schwellenländer sind für unangenehme Überraschungen gut: Ein Crash am chinesischen Immobilienmarkt, seit langem ein Dauerbrenner unter den möglichen Störfaktoren für die Weltkonjunktur, ist wieder mal ein akutes Thema.
Eine Unterbrechung des laufenden konjunkturellen Aufschwungs, auf die bereits im späteren Jahresverlauf 2022 eine Erholung folgt, würde wohl in keinem der großen Industrieländer zu einer negativen Jahresrate führen – der Überhang durch das hohe Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr 2021 ist zu groß.
In Deutschland und in der Eurozone dürfte die Wirtschaft im Jahresdurchschnitt stagnieren, in den USA ist nur ein geringes Wachstum möglich. Die Arbeitslosigkeit würde steigen und die Inflation bei deutlich niedrigeren Ölpreisen merklich nachgeben.
Die Notenbanken nehmen in einem Umfeld neuer konjunktureller Schwäche und nachlassender Inflation auf absehbare Zeit Abstand von Zinserhöhungen. Die Anleihekaufprogramme laufen weiter bzw. werden sogar aufgestockt.
Renten sind in schwierigen Zeiten ein beliebter sicherer Hafen, zumal die EZB den Einlagensatz noch tiefer drückt. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen notiert am Jahresende 2022 tief im negativen Bereich bei -0,7 %. Die Zinskurve ist wieder sehr flach.
Die wachsende Unsicherheit und schwache Ertragsentwicklung bei Corporates erhöhen die Risikoprämien zeitweise deutlich. Die erneute Ausweitung stützender Maßnahmen der EZB verhindert gleichwohl einen allzu großen Anstieg der Spreads.
Die Kreditnachfrage der Unternehmen bei den Banken bleibt niedrig und die Insolvenzen fallen höher aus als erwartet, so dass sich die Kreditqualität verschlechtert. Das Niedrig-zinsumfeld verfestigt sich und belastet den Zinsüberschuss der Banken.
Die krisenfesten Covered Bonds werden ihrem Ruf gerecht und stark nachgefragt. Die steigenden fundamentalen Risiken führen jedoch zu mehr Differenzierung bei den niedrigen Risikoprämien.
„Ein Pessimist zu sein hat den Vorteil, dass man entweder ständig recht behält oder angenehme Überraschungen erlebt.“
George F. Will, Journalist und Autor
Belastungsfaktoren für den Aktienmarkt wie die Corona-Pandemie, Lieferkettenproblematik oder Probleme im chinesischen Immobiliensektor sorgen für eine deutlich zunehmende Risikoaversion und bremsen die Dynamik bei den Unternehmensgewinnen. Die resultierende Bewertungskorrektur lässt den DAX in den Bereich der 13.000er Marke abrutschen.
Bei gewerblichen Immobilien kommt es zu einer Korrektur. Mieten und Kaufpreise im Büro- und Einzelhandelssegment geben deutlich nach. Dagegen hält sich der deutsche Wohnungsmarkt einmal mehr vergleichsweise stabil. Weitere kräftige Preissteigerungen sind im schwachen wirtschaftlichen Umfeld aber nicht mehr wahrscheinlich.
Als Krisenwährung erklimmt Gold neue Rekordmarken. Da die Geld- und Fiskalpolitik in Extrembereiche vordringen, nimmt das Edelmetall die Marke 3.000 US-Dollar je Feinunze ins Visier.
Der US-Dollar profitiert wieder einmal als sicherer Anlagehafen. Europa ist stärker von den weltwirtschaftlichen Risiken betroffen. Zudem sind dort insbesondere die politischen Risiken größer, die Zweifel an der Währungsunion nähren könnten. Der Euro-Dollar-Kurs fällt auf die Parität.
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