Diese Aussage mag angesichts der jüngst wieder aufgeflammten Sorgen über in China platzende Blasen überraschen. Aber in manchen wichtigen Fragen – den Regeln des internationalen Handels, der Zukunft der globalen Lieferketten und vielleicht sogar des zukünftigen Umgangs mit mächtigen Tech-Unternehmen – stehen die Entscheidungen in Peking in der Bedeutung nicht hinter jenen in Washington zurück. Sie sind letztlich eine bessere Indikation für den Einfluss auf die Weltwirtschaft als die Diskussion, welche Wirtschaft nun empirisch „größer“ ist (nach nominaler Gewichtung noch die USA, nach Kaufkraftparitäten schon China).
Auch wenn “Reshoring” zu einem Modewort geworden ist, zeigt die Entwicklung seit dem Pandemieschock eindringlich, welche zentrale Rolle China in den weltweiten Lieferketten spielt. Chinesische Unternehmen haben daher entscheidenden Einfluss auf die globalen Engpässe in der Industrie – im Guten wie im Schlechten.
Der Aufbau alternativer Fertigungskapazitäten „auf der grünen Wiese“ in Industrieländern kann Jahre dauern – auch wegen der langen Genehmigungsfristen. Für die Lösung der aktuellen Probleme spielt er daher eine vernachlässigbare Rolle. Stattdessen lohnt es sich, den Pfad von Angebot und Nachfrage in China im Auge zu behalten, wie er sich zum Beispiel in den Ex- und Importen widerspiegelt.
Nach einer insgesamt enttäuschenden konjunkturellen Performance 2021 – das scheinbar spektakuläre Durchschnittswachstum von rund 8 % geht vor allem auf einen massiven statistischen Überhang aus 2020 zurück – erwarten wir für 2022 wieder solide Wachstumsraten. Der Jahreswert wird mit voraussichtlich 5,5 % „normaler“ ausfallen. Schätzungen verorten das aktuelle Trendwachstum Chinas bei etwa 5 %.
Nirgends ist China dabei wichtiger als in der Klimapolitik. Im Jahr 2018 waren die Treibhausgasemissionen des Landes mit einem weltweiten Anteil von 24 % höher als die in den USA, in der EU und in Japan zusammen. Nichts entscheidet daher mehr über das Erreichen globaler Klimaziele als das, was in China passiert.
Bisher scheint die Führung in Peking hier die internationalen Anstrengungen mit sehr ambitionierten Zielen zu unterstützen. China strebt laut seiner Regierung eine Stabilisierung der bis zuletzt kräftig gestiegenen Emissionen bis 2030 und – noch schwieriger vorstellbar – CO₁-Neutralität bis 2060 an.
Details zur Umsetzung sind jedoch Mangelware und es ist unklar, welchen Stellenwert diese Ziele in der Gesamtagenda der chinesischen Regierung letztlich haben. Was passiert, wenn die politischen Konflikte mit den Industriestaaten eskalieren sollten oder diese drastische „grüne“ Handelsrestriktionen einführen? Dann ist leicht vorstellbar, dass man die Klimawende als eine neue Taktik des Westens hinstellt, die letztlich dazu dienen soll, den Aufstieg Chinas zu verhindern.
Obwohl China über die globalen Lieferketten ein wesentlicher Faktor bei den international preistreibenden Engpässen ist, schlägt sich dies dort auf der Stufe der Verbraucherpreise nicht nieder. Sie werden vielmehr dominiert vom Rückgang der Preise für das Grundnahrungsmittel Schweinefleisch. So ist der unerwartet geringe Preisdruck zu interpretieren: Für 2022 erwarten wir einen Anstieg der Verbraucherpreise um nur 1,5 %.
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Die Wachstumsperspektiven sind sehr unterschiedlich. Welche Rolle spielt dabei die Konsolidierung der Staatsfinanzen? Gibt es Risiken, auf die geachtet werden sollten?