Auf eine robuste Erholung von der Pandemie mit einem Wachstum von 5,3 % folgt 2022 eine kräftige Abkühlung auf 2,2 %. Dank des guten Vorankommens der Impfkampagne kann der Dienstleistungssektor wieder fast uneingeschränkt agieren. Bereits Ende Oktober 2021 hatten drei Viertel der Brasilianer mindestens eine Dosis eines Covid-19-Impfstoffes erhalten.
Da hören die positiven Nachrichten aber schon auf. Die im Spätsommer einsetzende schwerste Dürre seit 91 Jahren hat der sonst so dynamischen Landwirtschaft einen Schlag versetzt, von dem sie sich 2022 noch nicht vollständig erholt haben wird.
Außerdem sorgt der Wahlkalender dafür, dass wachstumsfördernde Strukturreformen ausbleiben. Zwar gab es 2021 gewisse Fortschritte bei den Privatisierungen (u.a. beschlossene Teilprivatisierung des staatlichen Stromkonzerns Eletrobrás, Privatisierungsprozess der Post). Handelsliberalisierungen sowie eine Reform des öffentlichen Sektors werden aber nicht vorankommen.
Die Inflation wird 2022 mit 5,2 % deutlich über dem Zielwert von 3,5 % bleiben. Die bisherigen Zinserhöhungen der Notenbank konnten die Inflationserwartungen nur teilweise verankern. Für Anfang 2022 ist eine weitere Anhebung des Leitzinses Selic absehbar. Sollten im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Oktober Turbulenzen an den Finanzmärkten aufkommen, wird die Zentralbank ihre restriktive Geldpolitik verschärfen, auch wenn dies die ohnehin schwächelnde Konjunktur zusätzlich belastet.
Um seine Wähler zu mobilisieren, hat Staatspräsident Bolsonaro jüngst ein umfangreiches Sozialprogramm für ärmere Bevölkerungsschichten im Umfang von 30 Mrd. BRL aufgelegt, das das bisherige „Bolsa Familia“-System ersetzen soll. Die von der Verfassung vorgegebene Begrenzung des Ausgabenanstiegs auf die Inflationsrate wird wohl erneut mit Zustimmung des Kongresses umgangen.
Die notwendige Haushaltskonsolidierung angesichts hoher Verschuldung und Belastung durch Zinszahlungen dürfte daher erst ab 2023 auf die Agenda kommen. Die expansive Fiskalpolitik wird somit eher für Inflationsdruck und erhöhte Marktvolatilität sorgen als dass sie die Konjunktur nennenswert stützt.
„Bolsonaro ist kein populistischer Präsident,
er ist ein populärer Präsident.“
Wirtschaftsminister Guedes 2021
Die Popularität Bolsonaros wird sich vermutlich durch das neue Sozialprogramm sowie eine steigende Impfabdeckung bis zur Wahl verbessern. Auch favorisiert die Wirtschaft seine Kandidatur, während sie die stärkeren staatlichen Eingriffe des linken Gegenkandidaten und ehemaligen Präsidenten Lula fürchtet. Selbst wenn die Meinungsumfragen derzeit noch für einen Sieg für Lula sprechen, ist der Amtsinhaber längst noch nicht aus dem Rennen.
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Die Wachstumsperspektiven sind sehr unterschiedlich. Welche Rolle spielt dabei die Konsolidierung der Staatsfinanzen? Gibt es Risiken, auf die geachtet werden sollten?