Wenn Matthias Winkelhardt aus seinem Bürofenster blickt, schaut er der Stadt Frankfurt beim Wachsen zu. Von seinem Arbeitsplatz im Tower 185 hat der 42-jährige Immobilienfachwirt beste Sicht auf eines der größten Städtebauprojekten in Deutschland: das Europaviertel. Wo früher Güterzüge rollten, wächst seit rund 15 Jahren ein lebendiges, urbanes Stadtquartier. Auf dem fast 2,5 Kilometer langen ehemaligen Güterbahnhofgelände nahe der Messe reihen sich Wohnungen, Büros, Hotels, Geschäfte, Restaurants und Sozialeinrichtungen.
Winkelhardt leitet den Standort Frankfurt bei der CA Immo. Das deutsch-österreichische Immobilienunternehmen entwickelt den östlichen, stadtnahen Teil des Europaviertels. Insgesamt sollen in dem neuen Stadtteil künftig rund 30.000 Menschen arbeiten und bis zu 10.000 Menschen leben. Mehr als zwei Drittel des 90 Hektar großen Areals sind bereits bebaut.
„Man kann sich kaum vorstellen, mit welcher Dynamik aus einer riesigen Brachfläche ein Stück Stadt entstanden ist“, sagt Winkelhardt. Die CA Immo hat dazu als Investor und Projektentwickler maßgeblich beigetragen: Das Unternehmen realisierte im Europaviertel zwei Hotels, zwei Wohngebäudekomplexe, ein Bürogebäude, ein Kongresszentrum, ein Einkaufszentrum mit 180 Geschäften sowie den Tower 185, der den Eingang in das neue Stadtquartier bildet.
Und es geht weiter. Im Osten des Viertels laufen die Arbeiten für den ONE, einen 190 Meter hohen Büro- und Hotelturm, dessen Umsetzung von der Helaba finanziert wird. Obwohl die Fertigstellung erst im Jahr 2022 erfolgen wird, schiebt die CA Immo bereits auf dem benachbarten Grundstück das nächste Projekt an. Hier sollte ursprünglich sogar einmal ein 365 Meter hoher Turm entstehen, doch so ein Gebäude ist in Deutschland aktuell immobilienwirtschaftlich nicht sinnvoll. Stattdessen prüft CA Immo nun, die Baumasse auf ein gemischt genutztes Gebäudeensemble zu verteilen. Das Konzept muss im Detail noch erarbeitet werden, dennoch freut sich Winkelhardt schon: „Was hier an Bauprojekten realisiert wird, hat eine völlig neue Dimension.“
Es geht den Projektentwicklern dabei um weit mehr als um Höhenrekorde: Wie in fast jeder Großstadt sind auch in Frankfurt hochwertige Büroflächen insbesondere in den zentralen Lagen begrenzt. Die Türme im Europaviertel sollen den wachsenden Flächenbedarf decken und zugleich eine städtebauliche Lücke schließen. Denn die Hochhauskette, die der Hochhausrahmenplan der Stadt vorsieht, war lange Zeit unterbrochen. „Es gab das ab den 1970er-Jahren entstandene Bankenviertel in der City und den Messeturm, dazwischen die Messe und das unbebaute ehemalige Güterbahnhofareal. Diese Lücke wird durch die neuen Hochhäuser im Europaviertel nach und nach geschlossen“, sagt Winkelhardt.
ONE ist eines der interessantesten Projekte im Europaviertel. Entworfen hat den gemischt genutzten Büro- und Hotelturm das Frankfurter Architekturbüro Meurer Generalplaner. Er ist Teil eines Hochhausclusters an der Messe und bildet mit zwei bestehenden Bürohochhäusern ein städtebauliches Ensemble. „Anders als alle anderen Hochhäuser in der Stadt vereint der Tower nicht nur mehrere Nutzungen unter einem Dach, sondern verzahnt sie auch miteinander“, sagt Markus Diekow, Leiter der Unternehmenskommunikation bei der CA Immo. Mit dieser Mischnutzung greift der ONE einen Trend auf dem Büroimmobilienmarkt auf: Dominierten früher reine Bürohochhäuser als repräsentative Unternehmenszentralen, entstehen heute immer öfter sogenannte Mixed-Use Buildings, die verschiedene Nutzungen – Büros, Hotels, Wohnungen oder Einzelhandel – kombinieren. Für Immobilienentwickler bietet die gemischte Nutzung unter anderem den Vorteil, dass mehrere Zielgruppen angesprochen werden und sich der Kreis der Mietinteressenten erweitert.
Die Helaba finanziert den Bau des 49-geschossigen Landmark-Hochhauses als Sole Underwriter und anschließender Konsortialführer eines Bankenkonsortiums. „Dieses Verfahren ermöglicht eine schnelle Finanzierung“, erklärt Amra Saric, Spezialistin für das Syndizierungsgeschäft bei der Helaba.
„Auch ganz normale Bürgerinnen und Bürger können sich im ONE treffen. Es ist ein Stück Stadt, das nicht an der Fassade endet.“
Markus Diekow,
Leiter der Unternehmenskommunikation
CA Immo Deutschland
Die unteren 14 Etagen des Hochhauses sind schon verpachtet. Die Hotelkette NH Hotels Deutschland eröffnet dort 2021 ein Vier-Sterne-Designhotel der Markenhow mit 375 Zimmern. Die oberen zwei Drittel werden als Büros vermietet. Eine öffentliche Skybar in 190 Metern Höhe krönt das Gebäude. Zum Bauvorhaben gehört auch ein siebengeschossiges Parkhaus für 470 Parkplätze und 610 Fahrradabstellplätze, das über eine Tiefgarage mit dem Turm verbunden ist. Den urbanen Mittelpunkt des Neubaus bildet eine großzügige Lobby. Beschäftigte, Hotelgäste, Besucherinnen und Besucher erwartet neben Büroempfang und Hotel-Check-in eine attraktive öffentliche Aufenthaltszone mit Lounge, Cocktailbar und Café. „Auch ganz normale Bürgerinnen und Bürger können sich hier treffen. Es ist ein Stück Stadt, das nicht an der Fassade endet“, sagt Unternehmenssprecher Markus Diekow.
Die Stadt und ihre Bewohner profitieren somit von der Durchmischung. Das ist wichtig, denn welche Konsequenzen es für das öffentliche Leben hat, wenn Stadtviertel allein für das Arbeiten ausgelegt sind, konnte man früher gut am Beispiel der Frankfurter Bürostadt Niederrad beobachten: Nach Feierabend war dort kaum noch etwas los, das Viertel wirkte wie eine verlassene Westernstadt. „Für die Stadtentwicklung sind solche Trabantenstädte das Schlimmste, was passieren kann“, sagt Matthias Winkelhardt. Hinzu kommt, dass sich viele Bürobauten der alten Generation zum öffentlichen Stadtraum abschotten. „Menschen suchen aber die Urbanität, die Kommunikation und den Austausch und all das findet meist in architektonisch beeindruckenden Lobbys der Bürogebäude nicht statt.“
Und der ONE bietet einen weiteren Vorteil: eine ausgesprochen große Flächenflexibilität. CA Immo legt prinzipiell großen Wert auf flexibel nutzbare Mietflächen sowie auf ein breites Angebot an informellen Treff- und Kommunikationsorten. Alle Etagen lassen sich in vier unabhängige Mietabschnitte von jeweils rund 400 Quadratmetern aufteilen. Das 1,20-Meter-Fassaden- und -Ausbauraster ermöglicht nahezu jede Bürovariante: von Einzel-, Doppel-, Gruppen- oder Kombibüros bis hin zum Open Space. Zudem können Büromieter, Hotelgäste und Externe Flächen in einem mehrstöckigen Coworking-Bereich temporär anmieten.
„Immer mehr Mieterinnen und Mieter wünschen sich ein Höchstmaß an Flexibilität. Wer weiß schon, wie er in zehn bis 15 Jahren arbeitet?!“, sagt Immobilienexperte Matthias Winkelhardt. In den Neubau sollen Banken, Finanzdienstleister, Unternehmensberatungen und Kanzleien einziehen sowie Unternehmen aus der Digitalbranche. „Auch in der eher konservativen Finanzbranche werden immer mehr innovative und offene Bürokonzepte umgesetzt“, ergänzt Markus Diekow: „Die Unternehmen haben erkannt, dass ihre Angestellten in einem kommunikativen Arbeitsumfeld produktiver sind. Und sie wollen attraktiv sein für gut ausgebildete Nachwuchskräfte. Wie und wo man arbeitet, ist heute ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um das beste Personal.“
Auch in puncto digitale Infrastruktur ist der ONE am Puls der Zeit: Als erstes Hochhaus in Deutschland erhielt er 2018 eine WiredScore-Zertifizierung in Platin. „Die Zukunft vieler Unternehmen hängt heute von der Anbindung ans Internet ab. Immer mehr Firmen legen Daten in die Cloud. Wenn die Internet-Verbindung nicht steht, haben sie ein echtes Problem“, weiß Markus Diekow. Der ONE gewährleistet daher ein unterbrechungsfreies Netz, hervorragenden Empfang für Festnetz und Mobiltelefon, flächendeckendes und sicheres WLAN sowie flexibel nachrüstbare Leitungen. Das ist nicht selbstverständlich: In den von der Finanzwirtschaft bevorzugten zentralen Lagen Frankfurts punktet nur etwa die Hälfte der leerstehenden Büroräume mit einer modernen Ausstattung, ergab der Immobilienreport der Helaba vom September 2018.
Generell gibt es in Frankfurt zwar immer noch genügend freie Büroflächen. Doch der Leerstand hat sich in den vergangenen zehn Jahren annähernd halbiert. Zudem mangelt es an modernen Angebote in zentralen Lagen: „Gute Flächen sind rar“, weiß Matthias Winkelhardt. Möglichen Engpässen am Frankfurter Büromarkt will die CA Immo mit neuen Projektentwicklungen vorbeugen. „Wir setzen auf Durchmischung und attraktive, öffentlich nutzbare Gemeinschaftsflächen“, sagt Markus Diekow: „Weniger Monofunktionalität, mehr Urbanität und Leben.“
Frankfurt und seine Hochhäuser – das ist eine Geschichte mit Höhen und Tiefen. Ihr einstiges Negativimage haben die Türme längst abgelegt: Heute gilt die Skyline als Identifikationsobjekt.
Nachdem Bonn 1949 das Rennen um den Regierungssitz gewonnen hatte, bekam Frankfurt als Ausgleich den Sitz der Deutschen Bundesbank zugesprochen. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte siedelten sich mehr als 550 in- und ausländische Banken und Versicherungen sowie rund 2000 weitere Finanzdienstleister in Frankfurt an. Die Mainmetropole wurde zum wichtigsten Bankenzentrum der Bundesrepublik. Viele Finanzinstitute unterstrichen ihre Bedeutung mit repräsentativen Hochhausbauten. So entstand ab den 1970er-Jahren das Bankenviertel im Zentrum. Zahlreiche Altbauten mussten den Türmen weichen, in der Folge kam es zu Demos und Hausbesetzungen. Die „Hochhauskisten“ brachten Frankfurt zeitweise den Negativruf als „Bankfurt“ und „Krankfurt“ ein.
Erst ab Ende der 1970er-Jahre besserte sich das Image der Hochhäuser mit postmodernen Bauten wie dem Messeturm (1991). Die Hochhäuser fanden zunehmend Akzeptanz, die Skyline wurde zum Identifikationsobjekt. Inzwischen haben sich die meisten Menschen in der Stadt mit den Hochhaustürmen versöhnt: Beim Wolkenkratzer-Festival besichtigen mehrere hunderttausend Menschen die Bauten.
Mehr als 30 über 100 Meter hohe Gebäude, darunter die zehn höchsten Hochhäuser Deutschlands, bilden heute eine hierzulande einmalige Skyline. Doch „Mainhattan“ wächst weiter: Aktuell sind rund 20 Hochhäuser in Bau oder Planung. Darunter ambitionierte Projekte wie der ONE, der Millenium Tower oder das Hochhaus-Quartett „Four Frankfurt“: vier spektakulär gefaltete Türme, die auf einem öffentlich begehbaren Sockel fußen. Bis 2022 soll mit den Türmen ein neues Stadtquartier entstehen und das Bankenviertel beleben.
„Der Büromarkt in Frankfurt wächst. Es gibt eine hohe Nachfrage nach neuen, modernen Büroflächen mit Standards, die Altbauten so nicht bieten können.“
Dr. Ralf Verwiebe,
Stellvertretender Abteilungsdirektor Immobilien Südwest bei der Helaba
Dr. Ralf Verwiebe, stellvertretender Abteilungsdirektor Immobilien Südwest, und Amra Saric, Spezialistin für das Syndizierungsgeschäft, haben die Finanzierung des Büro- und Hotelturms ONE für die Helaba betreut. Im Interview erklären sie, warum die Zeit für gemischt genutzte Hochhäuser mit Büroflächen in Frankfurt gerade ideal ist.
Der ONE ist eines der großen Hochhausprojekte in Frankfurt. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Investor und Projektentwickler, der CA Immo?
Dr. Ralf Verwiebe: Die CA Immo hat verschiedene Banken für die Finanzierung des ONE angefragt und uns schließlich den Zuschlag gegeben. Wir hatten an dem Projekt starkes Interesse: Das Grundstück befindet sich in guter Lage im aufstrebenden Europaviertel. Wir kannten die CA Immo, wussten, dass eine starke Bonität und herausragendes Know-how vorhanden war, und wollten die nachhaltige Zusammenarbeit fortsetzen.
Wie finanziert die Helaba den Bau des 49-geschossigen Hochhauses?
Amra Saric: Wir finanzieren das Projekt als Sole Underwriter und anschließender Konsortialführer eines Bankenkonsortiums. Die Finanzierung umfasst neben der Projekt- auch die anschließende Bestandsphase. Sole Underwriter bedeutet, dass wir als einzige Bank der CA Immo das benötigte Kreditvolumen garantieren und erst danach andere Kreditgeber einbeziehen. Dieses Verfahren ermöglicht eine schnelle Finanzierung.
Verwiebe: Das Investment umfasst einen dreistelligen Millionenbetrag. Natürlich sind so große Kreditsummen immer ein gewisses Risiko, aber die Parameter des Kunden stimmten einfach. Die Eigenkapitalquote war hoch, das Grundstück bereits im Besitz der CA Immo. Zudem wurde der ideale Zeitpunkt abgewartet, um das Projekt umzusetzen.
Weshalb ist der Zeitpunkt gut?
Verwiebe: Der Büromarkt in Frankfurt wächst. Es gibt eine hohe Nachfrage nach neuen, modernen Büroflächen mit Standards, die Altbauten so nicht bieten können.
Saric: Hinzu kam, dass der Hotelbereich des Hochhauses – immerhin ein Drittel der Mietfläche – schon an eine international erfolgreiche Hotelkette verpachtet und damit vom Markt war.
Ist jetzt also eine gute Zeit für solche Projektentwicklungen?
Verwiebe: Absolut. Der Markt kennt seit Jahren nur eine Richtung: aufwärts. Wir haben eine hohe Nachfrage nach Büroflächen in Frankfurt, die Mieten steigen, insbesondere bei Neubauten. Zwar gibt es mit einer Leerstandsrate von 9,8 Prozent noch genügend freie Büroflächen, aber die Leerstände gehen zurück: Vor gut zehn Jahren lagen sie noch bei 15 Prozent. Deshalb gehen wir von weiter steigenden Mieten aus, insbesondere bei Büroneubauten. Zumal die leerstehenden Flächen oft schon älter sind; entsprechend begehrt sind modern ausgestattete Räume. Natürlich sagen manche, irgendwann ist an dem boomenden Markt der Höhepunkt erreicht. Wir können aber noch keinen Knick erkennen.