2019 soll das Jahr werden, in dem deutsche Renten den Krisenmodus zumindest ansatzweise verlassen. 2018 verzeichneten sie aufgrund des anhaltend niedrigen, teilweise sogar negativen Renditeniveaus eine unterdurchschnittliche Performance. Besonders trostlos fällt die Rechnung auf realer Basis aus. Infolge der auf über 2% gestiegenen Teuerung sank die inflationsbereinigte Verzinsung deutscher Staatsanleihen auf ein historisches Tief. Diese fehlende Werthaltigkeit nehmen Renten als Hypothek ins kommende Jahr mit.
Die europäische Geldpolitik schwenkt um. Dies setzte bereits im ablaufenden Jahr mit dem angekündigten Rückzug beim Neuerwerb von Anleihen ein. Die EZB wird zum Jahresende 2018 einen Wertpapierbestand von rund 2,6 Billionen Euro halten. Auslaufende Titel werden durch neue ersetzt. Diskutiert wird am Markt u. a. die Wiederanlage fälliger Anleihen in länger laufende Papiere, um die Finanzierungsbedingungen noch weiter zu verbessern. Das halten wir für eher unwahrscheinlich, da dies die Zinskurve verflachen und den Anlagenotstand verstärken würde.
Der entscheidende Anker für Investoren ist die von der EZB für das zweite Halbjahr 2019 angepeilte Leitzinsanhebung. Vermutlich wird Mario Draghi noch selbst diese Richtungsänderung verkünden. Es wäre knapp vor Ende seiner Amtszeit, die von einem beispiellosen Lockerungskurs geprägt war. Anderenfalls würde diese aus deutscher Sicht überfällige Entscheidung dem neuen EZB-Chef obliegen – wobei noch völlig offen ist, ob ein zu Zinsanhebungen neigender „Falke“ oder eine geldpolitische „Taube“ im November an der EZB-Spitze stehen wird. Die Anleger sind in dieser Frage bislang relativ entspannt. Vermeintliche Sicherheit gibt ihnen die Erfahrung der letzten Jahre, dass die Währungshüter im Zweifelsfall vorsichtig agieren.
Vor dem Hintergrund einiger Unwägbarkeiten wie dem Disput um den italienischen Haushalt, dem Risiko eines ungeregelten Brexits oder der Fortsetzung des Handelskonflikts ist die avisierte Zinswende ohnehin von einer gewissen Skepsis der Anleger begleitet. Unser Hauptszenario – ausgehend von einem sich im Laufe des Jahres 2019 bessernden fundamentalen Umfeld – bietet daher durchaus Überraschungspotenzial für steigende Renditen. Darüber hinaus deuten Kommentare von EZB-Mitgliedern darauf hin, dass die europäische Geldpolitik entschlossener als in den letzten Jahren agieren könnte, so dass es nicht „perfekte“ Bedingungen für eine Zinswende braucht.
Letztlich ist es so, dass die Vorteile der extrem expansiven Geldpolitik auslaufen und die Nachteile tendenziell zunehmen, denn auf Dauer drohen durch Negativzinsen sowie das zementierte Niedrigzinsumfeld Probleme – insbesondere für die Alterssicherungssysteme. Der negative Einlagensatz kostet die Banken in der Eurozone Milliardenbeträge, während die US-Konkurrenz von den gestiegenen US-Zinsen profitiert. Zu den Gewinnern gehören in Deutschland Bund, Länder und Gemeinden. Sie können ihre Verschuldung zurückfahren. Allerdings stehen einer günstigen Finanzierung von Bauprojekten aufgrund fehlender Kapazitäten mittlerweile deutlich gestiegene Baukosten gegenüber.
Neben der Zinswende im Euroraum dürften vorerst noch steigende US-Renditen ihre Wirkung entfalten. 10-jährige US-Staatsanleihen haben schließlich die 3%-Marke geknackt und damit den langfristigen Abwärtstrend überwunden. Voraussichtlich drei weitere Leitzinsanhebungen im kommenden Jahr, das Abschmelzen der Fed-Bilanzsumme und eine steigende Staatsverschuldung in den USA sorgen für einen gewissen Aufwärtsdruck. Zwar rückt das Ende des zyklischen Aufwärtstrends näher. Dies dürfte letztlich den Renditeanstieg auf einem Niveau klar unter 4% begrenzen. Belastend für deutsche Rentenpapiere ist jedoch vor allem der mittlerweile rekordverdächtige Renditeabstand zu US-Treasuries. Hier hat sich ein erhebliches Aufholpotenzial aufgebaut, insbesondere wenn die Inflationserwartungen im Euroraum anziehen. Die Zinskurve von Bundesanleihen dürfte dabei insgesamt steiler werden.
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